Zum Ende des Jahres stellt sich in vielen Betrieben die Frage, ob und wie viel Weihnachtsgeld bzw.
Jahressonderleistung an die Mitarbeiter ausgezahlt werden soll.
Bei der Überlegung zur Zahlung von einem Weihnachtsgeld oder einem 13. Monatsgehalt ist zu bedenken, ob
eine bereits erbrachte Leistung oder die Betriebstreue belohnt werden soll. Die Bezeichnungen 13. Monatsgehalt oder Jahressonderleistung
betonen die Zielsetzung, dass eine bereits erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich entlohnt werden soll. Wird die Zahlung dagegen als Weihnachtsgeld
oder Gratifikation deklariert, so soll in der Regel die Betriebstreue belohnt werden. Diese Betrachtungsweise hat im Hinblick auf eine evtl.
Kürzung auf Grund von Fehlzeiten eine entscheidende Bedeutung.
Der Anspruch auf Weihnachtsgeld oder ein 13. Monatsgehalt kann sich aus einem Tarifvertrag, einer
Betriebsvereinbarung, einem Arbeitsvertrag oder aus der "betrieblichen" Übung heraus ergeben.
Nachfolgend soll auf einige Punkte aufmerksam gemacht werden, die von der Rechtsprechung zu diesem Thema
behandelt wurde.
- Betriebliche Übung, Freiwilligkeitsvorbehalt: Von einer "betrieblichen Übung"
wird gesprochen, wenn der Arbeitnehmer aus der regelmäßigen Verhaltensweise (z. B. Zahlung von Weihnachtsgeld in gleicher Höhe
ohne Vorbehalt) des Arbeitgebers schließen kann, dass diese Leistungen bzw. Vergünstigungen auch in Zukunft gewährt werden.
Der Arbeitgeber kann das Entstehen einer "betrieblichen Übung" umgehen, wenn die Zahlung unter einem "Freiwilligkeitsvorbehalt"
erfolgt. Soll unter Berufung auf einen "Freiwilligkeitsvorbehalt" die Zahlung einer Gratifikation bzw. eines 13. Monatsgehalts
entfallen, so ist diese Entscheidung den Arbeitnehmern zu Beginn des Bezugszeitraums mitzuteilen.
- Gleichbehandlung von Arbeitnehmern: Bei der Zahlung eines Weihnachtsgelds oder auch eines 13.
Monatsgehalts müssen alle Beschäftigten gleich behandelt werden, so dass einzelne Beschäftigte oder Beschäftigtengruppen
nicht ausgenommen werden dürfen. Eine Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern darf ebenfalls nicht erfolgen. Teilzeitkräfte
sind entsprechend ihrer Arbeitszeit anteilig zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass
der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur auf einen Betrieb beschränkt ist, sondern auf das ganze Unternehmen. So hat z.
B. ein Arbeitnehmer, der für ein Unternehmen in der Hamburger Niederlassung tätig ist, den gleichen Anspruch auf eine Gratifikation
wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der für dasselbe Unternehmen in der Münchener Niederlassung beschäftigt ist. (BAG-Urt. v.
17.11.1998 - 1 AZR 147/98)
- Kürzung der Sonderzuwendung aufgrund von Fehlzeiten: Bei diesem Punkt ist die Klärung, aus
welchem Grund die Zahlung erfolgt (bereits geleistete Arbeit oder Betriebstreue) besonders wichtig. Handelt es sich beispielsweise um ein 13.
Monatsgehalt oder um eine Jahressonderleistung, so darf die Zahlung aufgrund von Fehlzeiten gekürzt werden. Soll jedoch ausschließlich
die Betriebstreue belohnt werden, so kann ein Anspruch selbst bei umfangreichen Fehlzeiten entstehen.
- Vorzeitiges Ausscheiden aus dem Betrieb: Bei der Zahlung eines 13. Monatsgehalts steht dem
ausscheidenden Arbeitnehmer 1/12 für jeden vollen Monat, den er gearbeitet hat, zu. Wird die Zahlung jedoch als Weihnachtsgeld (z. B. mit
Stichtagsregelung) beurteilt, so entfällt ggf. der Anspruch auf eine Zahlung. Das Bundesarbeitsgericht hat zu der Stichtagsregelung und
dem Versuch des Arbeitgebers, diese Regelung zu umgehen, folgendes entschieden: Sieht ein Tarifvertrag die Zahlung einer
Jahres-Sonderzuwendung vor, wenn das Arbeitsverhältnis am 1.12. eines Kalenderjahrs ungekündigt besteht, kann eine treuwidrige
Vereitelung dieses Anspruchs angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die Kündigung allein deshalb unter Überschreiten der
tariflichen bzw. gesetzlichen Mindestfristen für die ordentliche Kündigung vorfristig ausgesprochen hat, um den Zuwendungsanspruch
des Arbeitnehmers auszuschließen. (BAG-Urt. v. 4.5.1999 - 10 AZR 417/98)
- Rückzahlungsklauseln: Gezahltes Weihnachtsgeld muss nicht automatisch vom Arbeitnehmer zurückgezahlt
werden, wenn er aus dem Betrieb ausscheidet. Eine "Rückzahlungsklausel" muss vorher ausdrücklich vereinbart werden und
unterliegt bestimmten Grundsätzen:
- Kleingratifikationen (100 Euro) dürfen keiner Rückzahlung unterworfen werden.
- Bei Weihnachtsgratifikationen von weniger als einem Monatsgehalt ist eine Bindungsfrist bis zum 31.3. des
Folgejahres zulässig.
- Beträgt die Weihnachtsgratifikation ein volles Monatsgehalt oder mehr, ist eine Bindung bis maximal
zum 30.6. des Folgejahres zulässig.
- Eine Bindungsfrist über den 30.6. des Folgejahres hinaus ist unzulässig.
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich die Pflicht eines Arbeitnehmers, eine erhaltene Zuwendung "in voller Höhe"
zurückzuzahlen, auch auf die vom Arbeitgeber an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer. Der Anspruch auf Rückzahlung einer
Zuwendung verjährt nicht wie der Anspruch auf Rückzahlung eines Vorschusses in zwei Jahren, sondern in 30 Jahren. Eine analoge
Anwendung der Vorschriften über die kurze Verjährungsfrist scheidet aus. (BAG-Urt. v. 15.3.2000 - 10 AZR 101/99)
- Aktives Beschäftigungsverhältnis: Nach den EG-Richtlinien besteht die Verpflichtung, den
Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anzuwenden und beizubehalten. Unter Entgelt sind die üblichen
Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des
Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar oder unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Die Weigerung eines Arbeitgebers,
einer Frau im Erziehungsurlaub eine von ihm freiwillig als Sonderzuwendung zu Weihnachten gezahlte Gratifikation zu gewähren, stellt
keine Diskriminierung im Sinne der o.g. Richtlinie dar, wenn die Gewährung dieser Zuwendung nur von der Voraussetzung abhängt,
dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Gewährung im aktiven Beschäftigungsverhältnis steht. (EuGH, Urt. v. 21.10.1999 -
Rs. C 333/97) Anders wäre zu verfahren, wenn die Gratifikation als Vergütung für die im Jahr der Gewährung der
Gratifikation geleistete Arbeit gezahlt wird.
- Erziehungsurlaub: Wird im Arbeitsvertrag eine Weihnachtsgratifikation als freiwillige Leistung
bezeichnet, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird, so kann der Arbeitgeber in jedem Jahr erneut eine Entscheidung darüber
treffen, ob, unter welchen Voraussetzungen und an welche Arbeitnehmer eine Gratifikation gezahlt werden soll. Weder der arbeitsrechtliche
Gleichbehandlungsgrundsatz noch das europarechtliche Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen verbieten es, von der Gewährung
einer Weihnachtsgratifikation Arbeitnehmer auszunehmen, deren Arbeitsverhältnisse wegen Erziehungsurlaubs ruhen. (BAG-Urt. v. 12.1.2000 -
10 AZR 840/98)
- Wechsel von Vollzeit in Teilzeit: Die Höhe des Weihnachtsgeldes muss sich nicht zwingend nach
dem Jahresverdienst richten. Sie kann per Stichtagsregelung bestimmt werden. In einem in der Praxis entschiedenen Fall war ein Arbeitnehmer
zunächst vorwiegend Vollzeit und anschließend nur wenige Monate Teilzeit beschäftigt. Das Weihnachtsgeld erhielt er nur auf
der Basis des Teilzeitgehalts, da der Berechnungsstichtag in den Zeitraum seiner Teilzeittätigkeit fiel. Der Arbeitnehmer war der
Meinung, dass dies eine Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten darstelle. Er forderte deshalb eine Berechnung des Weihnachtsgeldes auf
Grundlage des Jahresdurchschnittsverdienstes. Die Richter des Bundesarbeitsgerichts urteilten jedoch anders. Das Weihnachtsgeld sei nicht
unmittelbar auf die Arbeitsleistung bezogen, sondern stelle auch eine Belohnung für die Betriebstreue dar. Teilzeitbeschäftigte würden
nicht diskriminiert, da auch der umgekehrte Fall zulässig sei, dass ein Beschäftigter das volle Weihnachtsgeld erhält, obwohl
er überwiegend in Teilzeit gearbeitet hat. (BAG-Urt. v. 18.8.1999 - 10 AZR 424/98)
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